Midissage: Wir zeigen uns
Residenznotiz #11, 30. August 2022, Kunsthaus Klosters
Am 26. August war es so weit: meine Skulpturen, die Zeichnungen von Kathrin und die Texte von Bettina empfingen zahlreichen Besuch. Als Residenz-Abschied gings zu den Jöriseen.
Notizenüberblick, Infos zur Ausstellung
«Vernissagen sind immer zuviel.» Sagt der Künstler Christian Eisenberger im Dokumentarfilm «Kunst muss schön sein». Schön sind sie trotzdem – wie letzten Freitag hier im Kunsthaus.
Dreifache Premiere
Nach einer kurzen Einführung durch Christof Hegi für das Kunsthaus-Team folgte uns die grosse Gästeschar durchs Treppenhaus des früheren Schulhauses. Und weil es jetzt ein Kunsthaus ist, ganz ohne Gedränge.
Bettina Gugger: «Kunst BERGen»
Bettina kam nach Klosters, um zu schreiben. Sie hat Bücher und CDs publiziert, ihre Texte überraschen, inspirieren und lassen tiefer gehen. Den Ausstellungsraum hat sie mit Textblättern inszeniert, man darf sich bedienen und gleich auf dem Sofa loslesen. Svenja Gansner hat die Texte illustriert und gestaltet, sie stellt auch im Kunsthaus aus. Aus dem Projekt «Kunst BERGen» soll noch mehr entstehen, auf Bettinas Website wird es dazu Näheres geben.
Kathrin Severin: «Skizzen»
Kathrin hat sich Klosters mit Nusstinte, Feder, Filzstift und Acryl angenähert. Kleinformatige Zeichnungen zeigen Details aus den Dörfern, im Stil früher touristischer Reiseberichte. Während unserer Gastwochen fand unter anderem «Klosters Music» statt. Kathrin hat sich in die Konzerte gesetzt und auf Leporellos Strich für Strich Szenen auf der Bühne festgehalten. Dabei blickt sie selten aufs Blatt, ihre Hand hält sicher fest, was sie sieht. Bettina treffend: «Sie zeichnet blind, um besser sehen zu können.» Mehr auf kathrinseverin.ch.
Marcel Bernet: «Zugewandert»
Meine beiden Figuren haben ihren Platz am Fenster gefunden. Zwischen den beiden stehen 700 Jahre, wir blicken mit den Augen von «April» auf die «Walserin». Dabei bleibt die Frau mit dem gesammelten Holz in der «Chreze» auf dem Rücken eine historisch begründete Idee. April hingegen war mit ihrem Mann Lawrence an der Vernissage dabei, ein schönes Geschenk. Mehr Text zu den beiden Figuren und zu meinem Projekt auf der Ausstellungs-Seite.
Freude am Kontakt
Wieso sind Vernissagen zuviel? Weil mir zuwenig Zeit bleibt für die Kontakte. Da ist die grosse Freude über jedes bekannte oder noch unbekannte Gesicht, Gespräche beginnen, werden von Abschieden unterbrochen und schon grüsst die nächste Hand. Wie eingangs erwähnt: ein schönes Zuviel, welches meine Arbeit abschliesst und krönt. Dazu noch einige Bilder – mit herzlichem Dank an Marietta Kobald und meinen Sohn Jan Bernet.



Tourist in Residence
Diese Tage nehme ich Abschied von der Residenz. Zwischen Aufräumen und Packen ist Zeit für Wanderungen, die schon lange gelockt haben. Gestern bin ich vom Flüelapass / Haltestelle Wägerhaus über die Winterlücke zu den Jöriseen und dem Berghaus Vereina gelaufen.
Unter den vielen Steinen des Anstiegs kam ich mir alt vor, auf ungewohnte Weise: aufgehoben in einer Weisheit, die weit über mich hinausreicht. Nach der Winterlücke überraschte ein See nach dem anderen; je weiter es ins Tal zurückging, desto mehr Grün dazwischen. Wasser kommt von allen Seiten, die Zuflüsse der Seen sind auch unterirdisch.

Vorübergehend daheim
Christian Morgenstern hat geschrieben: «Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird.» Daheim habe ich mich immer mehr gefühlt in Klosters; als vorübergehend daheim, zu Besuch mit einem grossen Projekt und trotzdem vielen Kontakten. Von ihnen nehme ich nun Abschied. Mit der Gewissheit, zurückzukommen.
«Trockenes Holz liegt genug herum, hier oben ist ja nur Wald. Ich hoffte auf mehr Gras, doch das Roden und Räumen liegt jetzt an uns.
«Fünf Sommer waren wir hier in den Ferien, dann haben wir drei Jahre überlegt. Und entschieden: den Rest unseres Lebens verbringen wir in Klosters.
Nein, hirnen ist normal: «La scultura non va fatta. La scultura va pensata.», zitiert
Die Skulpturen stehen, jetzt ist Zeit fürs Vorbereiten des Umzugs – und ein wenig Touristenleben. Kisten sind gepackt, gestapelt, aus den verschiedenen Räumen ins Lager getragen. Am Wochenende war Besuch da und Holzofen-Backtag beim 
Und gestern Abend hat mir ein Abendspaziergang rund ums Haus dieses Bild geschenkt.
Zum Glück waren Juan Rios und
Wir wohnen simpel hier in der Kunstklause zu Klosters. Die üblichen sozialen Verbindungen, Gewohnheiten und Ablenkungen sind gekappt. Es bleiben ich, das Projekt – und natürlich das Wachsen von neuen Verbindungen und Gewohnheiten.
Ein gemütlicher Tag beginnt mit einer Auszeit zwischen Koffein und Kolumnen. Dabei mischt sich meine temporäre geistige Abwesenheit im trendigen «
Mittags schweigen meine Motoren, wie es sich gehört im Kurgebiet. Ich tanke auf bei einer gemütlichen Zwischenverpflegung. Auch abends koche ich in der Regel in unserer kleinen Küche. Davor wird das Sägemehl vom Körper gespült, eine wohlige Dusche läutet den Feierabend ein.
In diesen eingespielten Alltag blinzelt etwas, das angenehm ungewohnt bleibt: Klosters. Der Teil, der sich über den Hausdächern, am Horizont, auf den Wiesen immer wieder neu inszeniert. Ich schaue morgens aus dem Fenster und staune über die Bergkette am Himmel. Ich wundere mich über das Licht- und Schattenspiel an den Hängen im Monbiel.


An meinem Sägeplatz stand die Rohform der Walserin. Sie ist vor rund 700 Jahren über den Wolfgang zugewandert und hat sich mit ihrer Sippe im
Diese Grösse hatte ich nicht vorgesehen; sie hat sich aus dem Holz und der Arbeit ergeben. Das gehört zu den Dingen, die sich in meine Pläne einmischen. Zu meinem eigenen Erstaunen, denn eingegeben hatte ich diese Skizze; die Figuren waren auf 40 bis 60 cm angedacht. Und die jetzige Grösse stimmt – ohne, dass ich mir das ausgedacht habe.
Nun darf sie trocknen, bis die Zweite geschnitten ist: heute war ein produktiver Sägetag…