Bronze und Fichte
Mit Scans und 3D-Druck bin ich den Weg zu einer ersten Figur in Bronze gegangen. Dabei sind auch Multiples entstanden, die man unkoloriert gar hätte verspeisen können.
Es gibt Figuren, das weiss ich: Alles stimmt. «Fernsicht» und «Selfieman» aus der Balance-Serie (hier die Geschichte dazu) wollte ich weiter entwickeln. Aus dem Mann mit Handy wurde meine erste Bronze, beide sind als 3D-Multiples in limitierter Auflage gedruckt. Auf dem Weg dorthin habe ich einiges gelernt.
Scan statt Abdruck
Anfang 2022 begann ich, Optionen für einen Bronze-Guss abzuklären. Was würde der Prozess kosten und wie gehe ich am besten vor? Nach zahlreichen Gesprächen mit Giessereien, 3D-Profis und Kunstschaffenden entschied ich mich für einen 3D-Scan. Klassisch führt der Weg vom Original über einen Abdruck zur giessbaren Form. Dabei hätten meine Figuren erst versiegelt werden müssen, was Spuren hinterlässt oder zu kleinen Schäden führt.
Sägebild erhalten
Zum ersten Mal hatte ich vor fünf Jahren mit «Dorli 1 & 2» den Weg von Scan zu Druck versucht. Das Original war bereits verkauft, sollte also jeden Fall erhalten werden. Doch leider waren die Scans zu wenig detailgenau; Kanten und Übergänge waren abgerundet, die Multiples hatten wenig vom Motorsägen-Original. Inzwischen sind die Scans nicht nur günstiger, sondern wesentlich genauer geworden.
Skulptur als Datei
Der Scanner sieht aus wie eine grosse Handtaschenlampe; damit wird das Objekt von allen Seiten fotografiert. Gleichzeitig erscheint auf dem Monitor eine geometrisch skizzierte, dreidimensionale Form. Dort, wo sie noch Lücken aufweist, fährt der Scanner nochmals drüber. Bis «Selfieman» und «Fernsicht» sich lückenlos mit der 3D-Maus im Raum drehen und wenden lassen. Das dauert jeweils knapp zehn Minuten, dank leistungsfähigem Rechner.
Form skalieren
Mit diesen Daten hole ich verschiedene Offerten ein: Ziel war ein Druck in Kunststoff, der sich erstens genau abformen lässt (also dick genug ist) und zweitens spurlos ausbrennt. So ersetzt der 3D-Print die Wachsform des klassischen Prozesses. Den Selfieman lasse ich als Test drucken, in Originalgrösse. Für eine Bronzefigur erscheint er mir zu gross – ich entscheide mich für eine Skalierung auf 70 Prozent. Das ist der grosse Vorteil dieses Verfahrens: mit den Daten öffnen sich verschiedene Optionen in der Umsetzung.
Testguss en Miniature
Nach verschiedenen Guss-Offerten mache ich mit Andreas und Richard Bründler in Winterthur erste Tests: wie klappt das Abformen und Ausbrennen mit dem gewählten Kunststoff-Druck? Wir giessen eine Mini-Figur in Bronze als Probelauf, sie sieht gut aus. Nun lasse ich die definitive Form drucken, bringe sie nach Winterthur und der «Selfieman» wartet in der Fertigungsschlange auf seine Erfüllung in Bronze.
Die Kraft des Feuers
Zuerst werden Kanäle angelegt für das Eingiessen des flüssigen Metalls und das gleichzeitige Abfliessen der Luft. Darauf ummanteln Bründlers den Kunststoff-Druck samt Kanälen mit Schamott. Gefüllt wird er ebenso mit einem Schamott-Kern, hitzeresistente Nägeln halten in der Mitte fest. Denn danach wird die Form erhitzt, der 3D-Druck schmilzt aus – er ist also verloren – und genau dort bleibt der Platz für die Bronze.
Das Eingiessen ist ein Faszinosum, ein archaisches Spiel von Hitze, Präzision, Geschwindigkeit. Bronze wird auf circa 1100 Grad erhitzt – in einem Tiegel, der diese Hitze aushält, auch wenn er dabei glüht. Im Boden des Gussraums sind alle vorbereiteten Formen in Sand platziert, mit den Einfüll-Löchern nach oben. Der Sand sorgt für Stabilität und nimmt den Giessdruck auf; die Formen dehnen sich unter der Last des heissen Materials leicht aus.
Schwarz patiniert
Der Guss klappt: Die aus der Form gelöste Figur ist fehlerfrei. Bründlers verbringen einige Zeit mit dem finalen Schliff: die Nägel müssen entfernt und alle Guss-Spuren auf der Figur abgeschliffen werden. Dabei geht es laut zu in der Werkstatt. Bronze ist mir im Original zu gelb, wir patinieren sie auf Schwarz – in mehreren Schritten, mit Kupfernitrat und Wärme.
Limitierte Kleinskulpturen
Eine der angefragten 3D-Druckereien erzählt mir von der Möglichkeit, Figuren in Fichte oder Buche zu drucken. Dabei wird Sägemehl mit dem im Holz enthaltenen Lignin zu langen Spaghetti verarbeitet und wie Kabel auf Rollen gebracht. Die füttern dann den Drucker, der das ganze erhitzt und minutiös Schicht für Schicht auf eine Platte legt. Dort, wo dieses Hinlegen in die Leere geht – zum Beispiel beim Handy-Arm des «Selfieman» – legt der Drucker ein lockeres, aber stabiles Gerüst hin. Das wird zum Schluss in Handarbeit minutiös entfernt.
«Fernsicht» und «Selfieman» liess ich in Fichte drucken, die 16 cm hohen Figuren wären in ihrer Urform gar essbar. In einem längeren Prozess habe ich einen Weg gefunden, ihnen mit Pigmenten einen jeweils eigenen Charakter zu verleihen – als limitierte Serie von jeweils sechs Exemplaren.
Weiterlesen:
«Schnitt für Schnitt» auf dem Weg zum Selfieman.
«Balance: aus Dankbarkeit» zur 2019 begonnen Serie.
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