Fluss der Ideen

Woher kommen die Ideen für meine Skulpturen? Das Schönste an ihnen: sie gehen nie aus. Ein kurzer Besuch an der Quelle der «Muse», der vier «Windschwestern» und den «Ahnungslosen Königen».

Manchmal gehen mir das Holz, die Pigmente oder die geschliffenen Sägeketten aus. Ideen habe ich immer zu viele. Ob sie gut sind, zeigt sich dann erst in der Tat. Davor sitze ich im Nebel, notiere, skizziere, verwerfe. Der Reihe nach:

Andocken an die Quelle
Vor Jahren wurde mir klar, dass ich in einem Strom von Ideen stehe. Wenn ich tue, was mich inspiriert, dann bin ich an diesem Platz, wo «es» fliesst. Es ist erleichternd zu erkennen, das nicht «ich» die Ideen habe. Sie haben mich. Wenn sie wollen. Wenn ich will – mich dafür öffne.

Klar, auch heute bin ich manchmal angestrengt. Wenn ich mich unter Druck setze für einen Wettbewerb oder eine Ausstellungsjury. Ich bin abwechselnd mal drin in diesem Strom der Inspiration und mal draussen. Es gibt Tätigkeiten, die Verbindung schaffen, eine Tür zur Quelle öffnen. Für mich sind das loslassen (leicht gesagt), singen, tanzen, Ausstellungen oder Künstler besuchen, lesen, reisen, wandern, Pflanzen pflegen, kochen.

Daran ist nichts Grossartiges – wir alle «können» das. Jede und jeder auf eine andere Art. Als Bildhauer sehe ich drei Bereiche, wo «es» mich immer wieder erwischt: im Alltag, bei Kunstbegegnungen, bei inneren Begegnungen.  Konkret:

1. Ideen aus dem Alltag
Morgens pendle ich mit der S-Bahn ins Atelier. Manchmal nervt mich der Menschenstrom, gegen den ich in der Enge des Bahnhofs ankämpfe. Und manchmal staune ich über Menschen, wie sie dastehen. Wie sie ihr Smartphone halten, die Zeitung, ein Kind. Es ist erstaunlich, welche Vielfalt an Gesten und Haltungen wir zu jeder Zeit auf dieser Bühne des Lebens einnehmen. Ist etwas dabei, das ich umsetzen möchte, kommt es in meine Skizzensammlung.

Im Zug reisse ich ein Porträtfoto aus der Zeitung: der Gesichtsausdruck der Schriftstellerin, ihre Körperhaltung berühren mich. Auf einer Reise nach Berlin begegnet mir eine Postkarte des Deutschen Theaters Berlin: wie frech und cool die Schauspielerin mit ihrer Pappkrone posiert, was ein Zeigefinger ausmacht. Ich klappe Bernhard Schlinks Roman «Olga» zu und weiss: das Titelbild kommt in meine Ideensammlung.

Aus diesem Zeitungsporträt wurde die «Muse».

Dieser Buchumschlag stellte die «Vier Windschwestern» in eine steife Brise.

Eine Postkarte aus Berlin bescherte mir «Drei Könige ohne Plan».

2.Begegnungen mit Kunst
Eine nie versiegende Quelle der Inspiration sind Ausstellungen und Begegnungen mit Kunstschaffenden. Da berühren mich eine witzige Idee oder eine präzis umgesetzte Körperhaltung, da staune ich über bestimmte Schnitte oder Farbakzente.

«Der Kapitän» war eine Antwort auf eine Skulptur von Johannes Hepp, den ich sehr schätze.

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3. Aus dem Raum in mir
«Dis-Tanz» entstand 2009, der Mann und die Frau sind etwa 24 cm hoch. Da war nichts Spezifisches im Aussen, was mich gefesselt hatte. Da war der Drang, die Begegnung von Mann und Frau zu reduzieren auf ihre Essenz. Innere Bilder sind immer beteiligt, auch wenn ich auf etwas im Aussen reagiere.

Ach ja: die meisten Ideen werden nie realisiert. Und jede verändert sich auf dem Weg.